Donnerstag, 17. April 2014

Ein kosmisches Lesevergnügen!

Ich und die Menschen
Matt Haig
Deutscher Taschenbuch Verlag (1. April 2014)
Amazon


Hoffnung war oft zwecklos. Und oft ohne jede Vernunft. Wäre sie vernünftig, hätte sie wahrscheinlich Vernunft geheißen. Außerdem war Hoffnung mühsam und anstrengend, und ich war Anstrengungen nicht gewohnt. Zu Hause war nichts anstrengend. Genau darum ging es zu Hause – um den Genuss einer perfekten, mühelosen Existenz. Doch ich war hier. Und hoffte.

Dem Mathematikprofessor Andrew Martin ist es gelungen, das Geheimnis um die Riemannsche Vermutung zu lüften, das gleichsam das Rätsel um die Verteilung der Primzahlen löst und eine bahnbrechende Entdeckung für die Menschheit bedeutet. Doch dann wird er von einer außerirdischen Lebensform entführt, getötet und durch einen von ihnen ersetzt. Der Außerirdische, der nun mit Professor Martins Gesicht herumläuft, hat den Auftrag, alle Hinweise auf die Lösung des mathematischen Rätsels auszulöschen – in Computern, in Notizen, in Menschen. Die menschliche Natur und Zivilisation erscheint ihm befremdlich, der menschliche Verstand und die scheinbar fortschrittliche Technik primitiv. Doch dann lernt der Außerirdische die Musik Debussys, Erdnussbutter und australischen Wein kennen. Und irgendwann stellt er auch fest, dass die Menschen trotz ihrer Nasen gar nicht so hässlich sind – vor allem Isobel Martin, Andrews Ehefrau. Plötzlich ist er sich nicht sicher, ob er es schafft, seinen Auftrag auszuführen und Frau und Kind tatsächlich zu töten …

Zunächst einmal klingt die Handlung von Matt Haigs „Ich und die Menschen“ interessant und vor allem amüsant. Dieser Roman verspricht Humor, Romantik und eine starke Prise Science Fiction. Diese Erwartungen werden erfüllt, dieses Buch hält sogar noch ein wenig mehr für den Leser bereit: Es ist ein Buch mit zunehmend existenzialistischer werdenden Anklängen, ein Buch, das von dem Menschen handelt, betrachtet aus der Perspektive eines Wesens, das weder mit unserer Natur noch mit unserer Kultur vertraut ist und nicht Teil unserer Gesellschaft ist. Es ist eine distanzierte, aber niemals objektive Perspektive: Negative wie positive Eigenarten des Menschen werden so gekonnt aufgezeigt, dass der menschliche Leser selbst lächelnd den Kopf schütteln muss. Kleidung! Autos! Haustiere! Wohnzimmer! Computer! Hühnerbrust! Sind das nicht urkomische Konzepte? Ich muss sagen, es tut gut, einmal die durch und durch sozialisierte Perspektive einer Europäerin aufzugeben und gemeinsam mit dem Außerirdischen zu staunen, zu kritisieren und sich neu in das zu verlieben, was an unserem Planeten und an unserer Spezies so einzigartig und schön ist.

Es ist großartig, wie wunderbar Haig tiefgründig-philosophische Anklänge mit sehr humorvollen Szenen in Einklang bringt. Er malt nicht schwarz-weiß oder stellt eine Harmonie her, die es gar nicht geben kann. Er bildet das Leben ab, so wie es ist – mit Hochs und Tiefs – denn so und nicht anders verhält es (das Leben) sich auch für einen Außerirdischen, der mit dem Gefühlshaushalt eines Menschen erst einmal klarkommen muss. Der Leser kann die Entwicklung des Außerirdischen hervorragend nachvollziehen: Dieser lernt die Menschen Abschnitt für Abschnitt besser verstehen und setzt sich schließlich sogar für sie ein, anstatt sie zu töten. An Spannung verliert das Buch auch zum Schluss nicht. Allerdings gibt es einen kleinen Abzug für das Ende, das einer gewissen Logik entbehrt. Bei der ultimativen Problemlösung macht es sich Haig dann doch ein wenig leicht und der Leser stößt auf Ungereimtheiten, die zu nennen hier fehl am Platze wäre.

Allemal ist dies jedoch ein gelungenes Werk, tiefgründig, witzig, an den richtigen Stellen melancholisch und es regt vor allem die Reflexion an. Ein kosmisches Lesevergnügen!





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