Dienstag, 8. April 2014

Ein unterhaltsamer Spannungsroman - aber ausbaufähig!





Das Mädchen mit den blauen Augen
Michel Bussi
Rütten & Loening-Verlag (Februar 2014)
14, 99 €

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„Jetzt wissen Sie alles. Ich habe in diesem Heft alle Indizien zusammengetragen, alle Spuren, alle Hypothesen. Achtzehn Jahre Nachforschungen. Diese etwa hundert Seiten enthalten alles.“


„Alles“, das bedeutet in „Das Mädchen mit den blauen Augen“ das Wissen um die Identität des kleinen Mädchens, das als Einzige bei einem Flugzeugabsturz des Jahres 1980 im Jura überlebte. Ist sie Lyse-Rose Carville, Sprössling einer einflussreichen, reichen Familie? Oder ist sie Emilie Vitral und damit Nachkomme einer minderbemittelten, doch herzlichen Familie? Dieses Rätsel konnte Privatdetektiv Grand-Duc auch nach 18 Jahren noch nicht ganz lösen, doch eines ist gewiss: Nun wird alles ans Licht kommen. In einer Zeit, in denen DNA-Tests noch nicht existierten, sprach man das kleine Mädchen den Vitrals zu und sie wuchs als Emilie auf, ihren Bruder Marc immer an ihrer Seite. Doch die Gefühle zwischen ihnen gehen tief, tiefer als es bei Geschwistern sein sollte. Auch Malvina der Carville ist nach all den Jahren davon überzeugt, dass Emilie in Wirklichkeit ihre Schwester Lyse-Rose sein muss. So wollen beide Familien wollen die Wahrheit erfahren, um nach langen 18 Jahren endlich wieder ihren Seelenfrieden zu finden … 

„Das Mädchen mit den blauen Augen“ ist ein französischer Roman voller Drama und Katastrophen, Toten, Pistolengefuchtel und immer neuen Rätseln, die sich in das ganz große Mysterium um Lylies (eine Mischung der Namen Lyse-Rose und Emilie) Identität einfügen. Das große Plus des neuen Romans von Bussi ist eindeutig die Spannung. Die handlungsreiche Gegenwart, in der Emilie verschwindet ohne, dass der Leser weiß warum und in der Marc und Malvina sich selbst auf die Suche nach Antworten machen, verschränkt sich wirkungsvoll mit der erklärenden Vergangenheit, den Notizen des Privatdetektiven, die dem Leser erklären, worum es geht und was bislang bekannt ist. Der Schreibstil ist flüssig und gut lesbar, die Sätze sind kurz und die Metaphern sparsam. Außerdem ist Bussi ein wahrer Meister darin, wenn es darum geht, seine Leser „bei der Stange zu halten“, die Spannungskurve des Romans ist wohl konstruiert, worin sich zugleich auch eine Schwäche versteckt: Denn konstruiert wirkt der Roman allemal. 

Die Handlung ist rasant, spielt sich größtenteils in innerhalb von zwei Tagen ab. Bussi konzentriert sich sehr darauf, die einzelnen Fäden des Rätsels zu weben und zu bündeln, vernachlässigt dabei allerdings alles, was nicht strikt handlungsorientiert ist. Da wäre zum Beispiel die Charakterausgestaltung, die bei jeder Figur etwas zu mager gerät oder in Klischees abschweift. So stutzt der Leser doch bei manchen Stellen und verdreht innerlich die Augen, wenn er liest, dass Lylie Klavierspiel, Kunst und Literatur liebt, was dem Autor offensichtlich als Anhaltspunkt dafür dient, Zweifel daran zu streuen, dass sie den armen Vitrals entstammt. Die Figuren Bussis sind im Grunde nur Stereotypen, die als solche erkannt werden wollen – hier mangelt es an Authentizität und Vielseitigkeit, was sehr schade ist. Wer den Klappentext liest und das Porträt eines Mädchens, das auf der Suche nach sich selbst ist, erwartet, der findet in diesem Buch nicht das, was er sucht. Bussi hat eher eine Kriminalgeschichte als einen Roman geschrieben. Eine Kriminalgeschichte, in der es darum geht, eine Wahrheit ans Licht zu bringen, bei der die Beteiligten auch über Leichen gehen. 

Emotionales Feingefühl beweist er nicht, was seine Figuren anbelangt, wohl aber für den Leser, der das Buch nicht aus der Hand legen mag, bis er gemeinsam mit Marc, Grand-Duc und Malvina alle Rätsel gelöst hat und endlich Klarheit hat. „Das Mädchen mit den blauen Augen“ ist ein Buch, das ganz klar unterhalten und weniger zum Denken anregen soll. Bei diesem empfehlenswerten Lesespaß (denn das ist es zweifelsohne!) ist Mitfiebern angesagt!






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