Dienstag, 8. April 2014

Über Leben, Tod, Moral und die Macht der Worte


Markus Zusak
Die Bücherdiebin
Blanvalet-Verlag
19,99€


„Diese widersprüchliche Natur des Menschen! Ein bisschen gut, ein bisschen böse. Man muss nur einen Schuss Wasser dazugeben und umrühren.“

Es ist der personifizierte Tod höchstpersönlich, der den Lesern von Markus Zusaks Werk die Geschichte von Liesel Meminger, „die Bücherdiebin“ genannt, auf zugleich distanzierte und emotional berührende Art erzählt. Emotional, denn: „Selbst der Tod hat ein Herz“. Außerdem besitzt er das Buch der Bücherdiebin, das sie mit ihren eigenen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen gefüllt hat. Mit den Worten „Ich will euch etwas zeigen“ entführt er uns in die Welt der Bücherdiebin … 

Jahrelang stand das Buch in meinem Regal herum, das muss ich zugeben. Da stand es, in vorderster Reihe und schickte mir düstere Blicke, denn ich wagte mich nie daran. Der auf dem Cover tanzende Tod und der Klappentext, der mir das Stichwort „Nazi-Zeit“ entgegenbrüllte, führten dazu, dass ich irgendwie keine Lust hatte, es zu lesen. „Schwere Kost“, dachte ich, und „Nicht schon wieder Hitler“, wurde man doch damals in der Schule ständig mit dem Wissen über dieses schwarze Kapitel in der Geschichte Deutschlands gefüttert. Soweit, so gut. Nun habe ich es doch gelesen und muss ehrlich sagen, dass es eines der besten Bücher ist, die ich jemals gelesen habe.

Die Welt der Bücherdiebin erscheint zunächst einmal düster, ja. Der Tod spielt eine große Rolle in ihrem Leben: Ihr Bruder stirbt während der Zugfahrt zu der Pflegefamilie, in der er und Liesel untergebracht werden sollen. Auch ihr Vater und ihre Mutter verweilen nicht länger an ihre Seite. Liesel muss mit neun Jahren ein neues Leben in der Himmelstraße in Molching beginnen, gemeinsam mit Hans und Rosa Hubermann, die sich fortan um sie kümmern. Sie und viele andere, neue Menschen in Liesels Leben, bringen ihr das Glück zurück – sie stiehlt ihre Herzen, sie stiehlt Essen und sie stiehlt Bücher. Die Bedingungen der Zeit schaffen viel Leid, Angst und Druck in Liesels Leben, doch findet man selbst in diesen düsteren Zeiten eine besondere Schönheit und Hoffnung in Liesels Geschichte. 

Die eigentliche Schönheit von Markus Zusaks Werk besteht für mich vor allem in seiner Art zu schreiben, die man nicht anders als „poetisch“ bezeichnen kann. Zusaks Sprache lebt von Personifizierungen und Metaphern, die häufig einen Bezug zum Tod oder zu den Umständen des Kriegs haben. Und somit „lebt“ seine Sprache tatsächlich. So liest sich die einfache Beschreibung eines Hauses bei Zusak so: „Das Haus war bleich, wirkte beinahe kränklich, mit einem eisernen Gartentor und einer braunen, mit Spuckeflecken übersäten Haustür.“ Das Haus erwacht zum Leben und spiegelt das Gemüt seiner Bewohner wider. Zusak bedient sich bei der Beschreibung von Gefühlen und Kommunikation zwischen Menschen nicht der sich eingebürgerten üblichen Sprache. Er schreibt zum Beispiel nicht „Liesel brach abrupt ab, sie wagte nicht, die Frage zu Ende zu formulieren“, er schreibt „In ihrer Stimme lag eine merkwürdige Strähne, abgezogen und zusammengerollt in ihrem Mund.“ 

Es ist durchaus wahr, dass man sich an diesen Stil gewöhnen muss, denn er ist wie gesagt besonders und lässt sich nicht in erwartete Gedankenmuster pressen. Auch wenn der Prolog zunächst schwer daher kommen mag, es lohnt sich, nicht aufzugeben! Dieses Buch ist für jeden Menschen, der Spaß an Sprache hat, ein wirklich großartig zu lesendes Meisterwerk! 

Wichtig zu erwähnen ist neben Inhalt und Sprache auch noch, dass der geschichtliche Hintergrund vielleicht das Geschehen diktiert, aber die Geschichte der Bücherdiebin nicht ausschließlich ausmacht. Es ist wunderbar zu lesen, wie sie lesen lernt und ihre Bücher stiehlt, von denen jedem Einzelnen eine besondere Bedeutung zukommt. Auch hier gilt: Es sind nicht einfach nur Bücher, diese Bücher leben und verändern Menschenleben! Wie schon vor mir Menschen schrieben: In diesem Werk geht es um die Macht der Worte, die nicht nur von Liesel, sondern auch vom Leser zum Schluss gehasst und geliebt werden gleichermaßen. 

"Ich habe die Worte gehasst, und ich habe sie geliebt, und ich hoffe, ich habe sie richtig gemacht."






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