Dienstag, 8. April 2014

Wenn einer eine Reise tut ... liest sich das unwahrscheinlich gut!




Rachel Joyce

The Unlikely Pilgrimage of Harold Fry
Random House-Verlag
6,60€

Harold sat in silence. The silver-haired gentleman was in truth nothing like the man Harold had first imagined him to be. He was a chap like himself, with a unique pain, and yet there would be no knowing that if you passed him in the street, or sat opposite him in a café and did not share his teacake. Harold pictured the gentleman on a station platform, smart in his suit, looking no different from anyone ese. It must be the same all over England. People were buying milk, or filling their cars with petrol, or even posting letters. And what no one else knew was the appalling weight of the thing they were carrying inside. The superhuman effort it took sometimes to be normal, and a part of things that appeared both easy and everyday. The loneliness oft hat. Moved and humbled, he passed his paper napkin.

Eigentlich mag ich es gar nicht, wenn auf dem Cover eines Buches schon so Sachen wie „The Sunday Times Bestseller“ und „Impossible to put down – The Times“ stehen. Das klingt schon so nach Kommerz. Und nur weil ein Buch ein Bestseller ist, heißt es noch lange nicht, dass es gut ist, das musste ich schon häufig feststellen. Zwei Jahre nach dem Erscheinen von „The unlikely pilgrimage of Harold Fry“ fiel es mir dann aber doch in seinem englischen Original in der Buchhandlung Hatchards in London in die Hände und wollte zu mir. Und ich bereue den Kauf nicht.

Rachel Joyce entführt ihre Leser auf eine Reise durch England: Als der unscheinbare Rentner Harold Fry von dem nahenden Tod seiner alten Freundin Queenie Hennessy erfährt, fasst er den Entschluss, den ganzen Weg von Knightsbridge im Süden Englands nach Berwick-upon-Tweed im Norden Schottlands zu gehen, um sie zu retten. Harold beginnt, zu glauben. Nicht an Gott, seine Pilgerreise ist nicht religiös. Er beginnt, an sich selbst zu glauben – vielleicht das allererste Mal in seinem Leben. Denn Harolds Vergangenheit, die er bislang immer verdrängte, ist von Leid, von Gewissensbissen und der Unfähigkeit zu handeln geprägt. Doch diesmal handelt er, denn er hat ein Ziel. Und wie so oft ist auch hier der Weg das Ziel – ein Weg voller glücklicher und trauriger Momente, Zweifel, Zufriedenheit, Erkenntnissen und Begegnungen mit Menschen. 

Die Handlung des Buches ist recht einfach gestrickt. Die alltagsphilosophischen Weisheiten wie die oben zitierte sind alle nicht wirklich neu. Und doch war es interessant und irgendwie etwas Besonderes, über Harolds kathartische Reise zu lesen, die ihm stellenweise selbst über den Kopf zu wachsen scheint – und trotzdem macht er weiter. Was Rachel Joyce wirklich meisterhaft gelingt, ist es, ihren Figuren Tiefe zu verleihen. Harold Fry ist eine so gewöhnliche Figur, dass es fast befremdlich wirkt, liest man doch oft von Charakteren, die praktisch dazu bestimmt sind, Helden zu sein. Harold aber war nie ein auffälliger, lauter Mensch, er war nie etwas Besonderes. Hat nie etwas Besonderes getan. Und doch hat er eine Geschichte, er besitzt eine Vergangenheit, die ihrerseits ebenso einem normalen Menschen hätte passieren können. Diese Tatsache führt dem Leser vor Augen, dass wir alle Menschen sind und alle unseren Schmerz haben – und somit auch, dass wir alle wie Harold Fry eine solche Reise unternehmen können. Eine Reise durch Großbritannien, eine Reise in das Selbst. 

Sehr schön stellt Joyce auch Harolds Beziehung zu seiner Ehefrau Maureen dar, die unter der Zeit und der Vergangenheit bis zu einem Punkt gelitten hat, an dem man nicht mehr weiß, ob diese Ehe noch eine Chance hat. Und dann ist da noch Queenie, für die Harold diese Reise zunächst unternimmt. Aber warum eigentlich? Ein Spannungsbogen ist in diesem Buch durchaus vorhanden, was dazu führt, dass es sich wirklich gut und flüssig lesen lässt. Einen kleinen Abzug gibt es bei mir in der Tat für das Ende bzw. die letzten fünfzig Seiten. Hier verliert Harold zusehends seinen Mut und lässt den Leser schon mal das Alter des Rentners spüren (ich weiß nicht, wie ich es anders umschreiben soll, denn spoilern möchte ich ja nicht!). Für mich war aufgrund dieser plötzlich erneut aufkeimenden Zweifel und seines geradezu depressiven Anfalls auch das Ende letztlich doch irgendwie nicht vollständig „befriedigend“. Es hatte einen bitteren Beigeschmack, aber … so ist das Leben nun mal!

Trotz ernster Themen wie Alkoholismus, Drogen, Tod und Scheitern verliert es nicht an Unterhaltsamkeit – denn da ist ja immer noch die Hoffnung, der Glaube, der innere Antrieb. Von Anfang an hat der Leser das Gefühl, beim Lesen selbst eine Reise zu unternehmen, an Harolds Seite mitzugehen. Glück, Erschöpfung und Orientierungslosigkeit machen sich immer dann breit, wenn dies auch bei Harold der Fall ist. Die Art und Weise, wie Rachel Joyce dieses Buch geschrieben hat, dieses Mitfühlen, das man verspürt, zeigt, dass hier wirklich sehr viel Herzblut und eigener Schmerz hineingeflossen ist. Denn die Autorin schrieb dieses Buch im Wettlauf mit der Zeit: Wie Queenie Hennessy lag ihr eigener Vater im Sterben und so unternahm sie selbst durch das Schreiben ihre eigene Reise.





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